JULIUSZ RYBARSKI
Jugend in der Besatzungszeit
Vor dem Kriegsausbruch hat der Autor mit seinen Eltern in Krakau in der Vorstadt Nowa Olsza gewohnt. Er besuchte die St. Nikolaus‐Grundschule Nr. 3. Er war Mitglied der Polnischen Pfadfindervereinigung. Als der Krieg ausbrach, war er 16 Jahre alt.

[…] Am 6. September 1939, um 6 Uhr morgens, marschierten in Krakau die Wehrmachts‐ und SS‐Truppen ein und führten eine neue Besatzungsordnung und Verwaltung ein.

Meine Schule wurde von Soldaten besetzt und in eine Kaserne umgewandelt, auch das Hl. Jacek‐Gymnasium, wo ich meine Ausbildung fortsetzen sollte, wurde geschlossen. Ich habe die Möglichkeit gewählt, die siebte Klasse in der Schule im Ersatzgebäude eines der ehemaligen wissenschaftlichen Institute in der Lubicz‐ Straße zu absolvieren. Die Besatzer vertraten die Ansicht, dass es für Polen ausreichend sei, wenn sie lesen und bis Tausend rechnen können. Die höchste Bildungsstufe sollte die Berufsschule sein.

[…]Am Wawel‐Turm wurde die Hitler‐Fahne aufgehängt (Sitz des Generalgouverneurs Hans Frank, Krakauer Burg). Der Marktplatz wurde in Adolf Hitler Platz umbenannt, eine Reihe von Parks, Restaurants, Geschäften, teilweise auch Straßenbahnen und viele andere Orte wurden mit der Klausel „Nur Für Deutsche“ versehen. In die Akademie für Bergbau und Hüttenwesen zog „die Regierung“ des General gouver ‐ nements ein.

Nachdem die deutschen Besatzungstruppen in Krakau einmarschiert waren, fingen eintönige, graue Tage an. Auf den Straßen fuhren bewaffnete Patrouillen hin und her. Es erschienen auch Bekanntmachungen, die verordneten, alle Waffen und Radioempfänger abzugeben und die eine Polizeistunde von 18:30 Uhr bis 5:00 Uhr morgens festsetzten. Hinter den Wehrmachtstruppen rückten in Krakau die Einsatzgruppen der SS und des SD, sowie Gestapo und andere Uniformdienste der Besatzer ein.

Das Tannenberg‐Denkmal auf dem Matejko Platz und das Adam Mickiewicz‐Denkmal am Marktplatz wurden abgerissen. Es wurde die Todesstrafe für Handlungen gegen das Deutsche Reich eingeführt. Professoren der Jagiellonen‐Universität wurden hinterlistig verhaftet. In Krzeszowice bei Krakau wurden erste Massenhinrichtungen durchgeführt. Fünfzehn Häftlinge aus dem Hl. Michael‐Gefängnis wurden erschossen. Zu einem späteren Zeitpunkt wurden an diesem Hinrichtungsort etwa zweitausend Häftlinge hingerichtet.

Am Ende der siebten Klasse der Grundschule bekam ich einen wunderbaren Lehrer und Betreuer ‐ Herrn Professor Mikuła. Es gelang ihm, bei uns ein weites Kulturinteresse zu wecken (Musik, Kunst, Malerei, Dichtung). Zugleich übte er einen sehr positiven Einfluss auf die Bildung unserer patriotischen Einstellung aus. […]

In den ersten Monaten der Besatzung fehlte es ständig an Lebensmitteln und insbesondere an Brot. Die Versorgung unseres Hauses mit Brot war meine Aufgabe. Jede Nacht stand ich Schlange vor der nah gelegenen Bäckerei und wartete auf das erste Backen (meistens das einzige am ganzen Tag).

Später fuhr ich mit dem Rad nach Słomniki, ein kleines Städtchen (etwa 30 Kilometer von Krakau entfernt), um von dort Brot zu holen. Eben dort konnte man Backwaren noch uneingeschränkt und ohne Marken kaufen. Wir fuhren zu mehreren um drei Uhr morgens von zu Hause los, ohne die Polizeistunde zu beachten. Dann kehrten wir mit einigen Brotlaiben für Zuhause und Bekannte zurück.

Nur dank des außergewöhnlichen Talents meiner Mutter im Haushalt, gelang es ihr irgendwie, unsere bescheidenen und zwangsweise beschränkten Alltagsbedürfnisse zu befriedigen. […]