Aussiedlungen der polnischen Bevölkerung während des Zweiten Weltkriegs

Der grundlegende Kurs der deutschen Germanisierungspolitik in den von Deutschland besetzten Gebieten bestand in der Aus‐ und Umsiedlung der Bevölkerung aus den Gebieten, die in das Dritte Reich eingegliedert wurden. Die wichtigsten Ansätze wurden noch vor dem deutschen Überfall auf Polen festgelegt und in Hitlers Erlass vom 7. Oktober 1939 über die Festigung deutschen Volkstums bestätigt. Das Hauptziel war die Beseitigung „fremder Rassen“ aus den in das Deutsche Reich eingegliederten Gebieten und die Ansieldung von Deutschen, die im Ausland lebten (unter anderem aus den Ostseegebieten Estlands und Lettlands). Für die Umsetzung dieses Plans war Heinrich Himmler verantwortlich, der das Amt des Reichskommissars für die Festigung des deutschen Volkstums übernahm. Das Konzept sollte mithilfe von direkter und indirekter Ausrottung in die Tat umgesetzt werden.

Zum Zeitpunkt des Überfalls Nazideutschlands auf Polen verließ die Bevölkerung ihre Wohnorte und floh vor der anrückenden Armee. Nach dem Ende des Verteidigungskrieges kehrte ein Teil der Einwohner in ihre Häuser zurück, ein Teil kam dagegen bei Kriegshandlungen, Bombenangriffen oder Beschuss durch die Luftwaffe um. Andere sind aus Angst vor Verhaftungen (polnische Aktivisten oder frühere Teilnehmer der Aufstände in Oberschlesien 1919‐1920) nicht heimgekehrt. Diese Flüchtlinge leiteten eine Welle von Massenaussiedlungen ein, die über den ganzen Zeitraum der Okkupation andauerte.

Aussiedlungen aus den in das Dritte Reich eingegliederten Gebieten

Aussiedlungen der polnischen Bevölkerung durch die Deutschen begannen beinahe direkt nachdem die Front vorübergezogen war. Sie wurden als „wilde Aussiedlungen“ bezeichnet und von den lokalen Behörden initiiert. Sie betrafen besonders Gebiete, die in das Deutsche Reich eingegliedert werden sollten (Pommern, Schlesien, Großpolen) und als strategisch wichtig angesehen wurden. Ein Beispiel hierfür ist unter anderem Gdingen, wo aufgrund des nahe gelegenen Militärhafens die Anwesenheit von Polen als schädlich angesehen wurde. Bereits einen Tag nach der Einnahme der Stadt durch die Deutschen – am 14. September – begannen die ersten Verhaftungen, deren Ausmaß im Oktober 1939 deutlich zunahm. Zu diesem Zeitpunkt erschienen Bekanntmachungen, die den Bewohnern das sofortige Verlassen ihrer Häuser befahlen, wobei sie ihre Hausschlüssel in den Türen stecken lassen sollten. Insgesamt wurden 50000 Personen aus Gdingen ausgesiedelt.

Während der so genannten „wilden Aussiedlungen“ siedelten die deutschen Behörden bis Ende November 1939 35000 Menschen aus den in das Deutsche Reich eingegliederten Gebieten in Gebiete des Generalgouvernements um.

Im Oktober 1939 beschloss die deutsche Verwaltung die Aussiedlung von mindestens 700000 Polen aus Großpolen und Pommern. Das Ausmaß dieser Maßnahme machte eine systematischere Durchführung der Aktion notwendig. Am 11. Dezember 1939 wurde der Sonderstab „für die Evakuierung und den Abtransport der Polen und Juden“ gegründet, der bald in das „Amt für die Umsiedlung der Polen und Juden“ umbenannt wurde. Im April1940 änderte man den Namen in „Umwandererzentralstelle“. Der Sitz dieser Institution befand sich in Posen, bereits nach einigen Wochen wurde eine Dienststelle in Łódź eröffnet. Am 15. November 1940 wurde eine ähnliche Zentrale in Danzig eröffnet und danach wurden je nach Bedarf des deutschen Staates Niederlassungen in anderen Städten eröffnet (z.B. in Zamość).

Die Hauptaufgabe dieser Ämter war es, die Abschiebung der einheimischen Bevölkerung aus diesen Gebieten schnellstmöglich zu organisieren (dies betraf auch Juden und Roma). Dafür wurde ein Netz von Umsiedlungs‐ und Durchgangslagern geschaffen, in denen die vorläufige Selektion der Bevölkerung durchführt wurde. Das erste Lager unter der Verwaltung der oben genannten Stellen entstand zur Jahreswende 1939/40 in Łódź, in der Łąkowa Straße 4. Dies war das Durchgangslager der Umwandererzentralstelle Posen, Dienststelle Litzmannstadt. Es diente zur Registrierung der Ausgesiedelten und deren Umsiedlung in die Gebiete des Generalgouvernements (in der Anfangszeit seines Bestehens). Später wurden die Ausgesiedelten zu Zwangsarbeit in das Deutsche Reich deportiert, und im Jahr 1943 auch in Gebiete des besetzten Frankreichs. In Łódź gab es noch einige weitere Lager, darunter auch Kinderlager.

Ein Lager der Umwandererzentralstelle, vermutlich Łódź/Litzmannstadt, 1940 (IPN)

Der Umwandererzentralstelle in Danzig wurden die Lager in Potulitz (später in Lebrechsdorf umbenannt), Thorn und Smukała unterstellt. Das Lager Potulitz diente anfangs als Bezugsquelle für Arbeitskräfte für Industriewerke und die Landwirtschaft im Reichsgau Danzig‐Westpreußen. Später wurden auf dem Gebiet des Lagers Filialen einiger Industriewerke und Werkstätten von Handwerksbetrieben eröffnet und das Lager wurde zu einem Arbeitslager, in dem ganze Familien lebten. Das Lager war bis zu der Befreiung im Januar 1945 in Betrieb.

Die Aussiedlungen aus dem Regierungsbezirk Zichenau liefen über das Lager in Soldau (Działdowo), welches im Zeitraum von Februar bis Mai 1940 als Durchgangslager für Polen diente, die aus dem ehemaligen Landkreis Płock und Zichenau, sowie aus dem Gebiet von Bialystok ausgesiedelt wurden. In dieses Lager wurden auch die Bewohner des Landkreises Przasnysz gebracht, wo man mit dem Bau eines Truppenübungsplatzes begann, nachdem zuvor ganze Dörfer ausgesiedelt worden waren.

Eine der am besten organisierten Aussiedlungsaktionen war die Aussiedlung der Bewohner des Landkreises Żywiec (hauptsächlich Dorfbewohner) in das Generalgouvernement. Die Aktion lief unter dem Decknamen „Saybusch Aktion“ und begann am 22. September 1940. Die Aktion war sorgfältig vorbereitet, die Aussiedlungen gingen schnell vonstatten, gemäß eines zuvor festgelegten Zeitplans und auf Grundlage von Namenslisten. Alles geschah unter der Aufsicht von Truppen des SS‐Räumungsstabs. Alle Transporte fuhren zum Bahnhof in Łódź, erst von dort aus wurden die Transporte zu ihren Bestimmungsorten in den Distrikten Lublin, Warschau, Krakau und Radom geschickt. Die Aktion wurde im Januar 1941 beendet.

Die Aussiedlung der Dörfer begann am frühen Morgen. Familien durften bis zu 15kg Gepäck mitnehmen, das Packen durfte nicht länger als 15 Minuten dauern. Das Vermögen – also das Haus, die Einrichtung, die Wirtschaftsgebäude und das Inventar wurden Eigentum der deutschen Siedler.

Im Winter 1939/40 wurden aus den an das Deutsche Reich angeschlossenen Gebieten zwangsweise etwa 860 000 Polen ausgesiedelt, indem man sie mit ihrem Gepäck in das Generalgouvernement vertrieb. An ihre Stelle siedelte man ca. 400 000 Deutsche an, die (gemäß dem Deutsch‐Sowjetischen Grenz‐ und Freundschaftsvertrag vom 28.09.1939) aus den östlichen, von der Sowjetunion annektierten Gebieten Polens umgesiedelt wurden, und später auch aus Litauen, Lettland, Estland und dem rumänischen Bessarabien – nach der Annektierung dieser Gebiete durch die Sowjetunion im Sommer 1940.

Hauptaussiedlungen in den Gebieten des Generalgouvernements

Die Aussiedlungen und Umsiedlungen betrafen auch die Gebiete des Generalgouvernements. In den Jahren 1940‐ 1941 wurden etwa 170 000 Menschen aus der Umgebung von Radom, Dębica und Lublin ausgesiedelt. Auf diesen Gebieten richteten die Deutschen Truppenübungsplätze ein. Ein Teil der ausgesiedelten Bevölkerung wurde zu Zwangsarbeit nach Deutschland verschleppt, der Rest musste selbständig neue Wohnorte finden. Das Schicksal der Ausgesiedelten interessierte die Deutschen nicht im Geringsten.

Vertriebene Kinder aus dem Dorf Goryń, Kreis Radom, 1942 (AGK)

Zamość-Land (1942-1943)

Ende 1942 begannen die deutschen Behörden mit einer umfangreichen Umsiedlungsaktion in der Region Zamość. Die ersten Probe‐Aussiedlungen wurden bereits ein Jahr zuvor durchgeführt. Im Zeitraum vom 6. bis zum 25. November 1941 wurden die Bewohner einiger im Gebiet um Zamość gelegener Dörfer (ca. dreitausend Menschen) ausgesiedelt. Am 12. November 1942 wurde eine Anordnung von Heinrich Himmler veröffentlicht, in der Zamość zum ersten geschlossenen deutschen Siedlungsgebiet im Generalgouvernement erklärt wurde. Zu diesem Zweck sollte die lokale Bevölkerung fortgeschafft werden.  

Polnische Vertriebene, vermutlich aus der Region Zamość / Zamosc, 1942/43 (AZHRL)

In Zamość wurden eine Dienststelle der Umwandererzentralstelle sowie Durchgangslager in Zamość und in Zwierzyniec gegründet; dorthin wurde die ausgesiedelte Bevölkerung geschickt. Diese Lager waren nur eine Zwischenstation auf dem Weg zu weiteren Repressionen. Viele Erwachsene wurden in die Konzentrationslager nach Oświęcim (KL Auschwitz) und Lublin (KL Majdanek) gebracht oder zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert. Kinder sowie Personen, die nicht arbeitsfähig waren, wurden in andere Gebiete des Generalgouvernements umgesiedelt (in Ortschaften der ehemaligen Landkreise Siedlce, Garwolin, Mińsk und Łuków). Im Sommer 1943 wurde die Aktion aufgrund des entschlossenen Widerstands des polnischen Untergrundes, der Flucht der Bevölkerung und der sich verschlechternden Situation der deutschen Armee an der Ostfront eingestellt.

Weitere Aussiedlungen

In den Jahren 1942‐1943 waren mehr als 28 000 Menschen aus dem Bezirk Białystok von Aussiedlungen betroffen. Im Sommer 1943 siedelte man als Vergeltungsmaßnahme für Partisanenaktionen ungefähr 20 000 Bewohner des Nalibocka‐Waldes aus. Diese Gebiete waren vor Kriegsbeginn Teil der II. Polnischen Republik, in der Zeit des Kriegs gehörten sie zum Generalkommissariat Litauen. Massenhaft wurde auch die Bevölkerung der frontnahen Gebiete ausgesiedelt. In der zweiten Hälfte des Jahres 1944 wurden Bewohner ganzer Dörfer entlang der Frontlinie, die durch die Flüsse Narew, Weichsel und Wisłok verlief, vertrieben. Die Aussiedlungen wurden von „Pazifikationen“, also Zerstörung der Dörfer und Ermordung oder Vertreibung der Bewohner, begleitet.

Die Aussiedlung Warschaus

Während des Warschauer Aufstandes und auch nach seiner Niederschlagung wurde aus Warschau und den anliegenden Ortschaften beinahe die gesamte Zivilbevölkerung ausgesiedelt. Insgesamt wurden damals 500 000 – 600 000 Menschen vertrieben. Ein Teil der Ausgesiedelten kam in Konzentrationslager, ein Teil wurde zur Zwangsarbeit nach Deutschland deportiert, manche sind geflüchtet, der Rest wurde in die südlichen Gebiete des Generalgouvernements ausgesiedelt. Die Aussiedlung der gesamten Bevölkerung Warschaus und die Zerstörung der Stadt waren beispiellos in Europa.

Den Berechnungen des polnischen Historikers Czeslaw Madajczyk zufolge (die unvollständig sind, da sie nicht alle Gebiete der ehemaligen II. Polnischen Republik umfassen) wurden während des zweiten Weltkriegs 1 650 000 Polen ausgesiedelt.