Straflager und Gefängnisse

In den besetzten Gebieten in Polen führten die Deutschen dieselben strafrechtlichen Vorschriften und gesetzlichen Bestimmungen ein, die auch im Dritten Reich galten (z. B. das deutsche Strafgesetzbuch, Nürnberger Gesetze, das Kriegsstrafrecht aus dem Jahr 1938). Das System zielte darauf ab, die Gehorsamkeit sowohl des deutschen Volks als auch die der politischen Gegner zu gewährleisten, und die Menschen in den eroberten Gebieten einzuschüchtern. Das Rechtssystem war geprägt durch eine vereinfachte Rechtssprechung und drakonische Strafen.

Im September 1939 nahmen das einstweilige Sondergericht sowie Militär‐ und Kriegsgerichte ihre Arbeit auf polnischem Gebiet auf – allesamt berechtigt, die Todesstrafe zu verhängen. In Wahrheit aber wurden von September bis Oktober Beschlüsse über Todesstrafen, Gefängnisstrafen oder Haft in Konzentrationslagern von der Wehrmachtsführung, Einsatzgruppen der SS und der Gestapo getroffen. Diese drei Institutionen verwalteten in Zusammenarbeit mit lokalen Behörden die Gefängnisse. Im Jahre 1939 richteten die Einsatzgruppen SS und Selbstschutz verschiedene Lager ein. Diese Haftanstalten wurden „Internierungslager“ genannt und das war eine vage Bezeichnung, die den tatsächlichen Sinn der Einrichtungen, die Vernichtung der Insassen, verschleiern sollte. In diesen Lagern wurden Polen eingesperrt, die während der Aktion „Politische Flurbereinigung“ (Vernichtung der polnischen Eliten) festgenommen wurden. Die Mehrheit der Gefangenen kam bei Massenhinrichtungen (wie bei der Massaker von Piaśnica) um, wurde in Gefängnisse gesteckt oder in Konzentrationslager geschickt (so wurde z. B. eine große Gruppe von Geistlichen ins KZ Dachau gebracht), nur wenige wurden freigelassen und lediglich Einzelne überlebten den Krieg. Die meisten dieser Lager wurden Anfang 1940 liquidiert oder in Straf‐ oder Konzentrationslager umgewandelt (so z. B. Stutthof).

Als das strafrechtliche System mit der Zeit immer organisierter wurde, entstanden zwei Strafvollzugswesen: eines war mit Polizeibehörden verbunden, das andere hing mit der Justiz zusammen. Die Mehrheit der Gefängnisse in den besetzten Gebieten waren über örtliche Kommandeure der Sicherheitspolizei und des Sicherheitsdienstes dem Höheren SS und Polizeiführer unterstellt. Zu diesen Gefängnissen zählten so berüchtigte Einrichtungen, wie der Pawiak in Warschau, das Montelupi ‐ Gefängnis in Krakau und das Schloss Lublin. Diese Vollzugsanstalten dienten normalerweise auch als Orte der Vernichtung.

In den ins Reich eingegliederten Gebieten oblagen die Gefängnisse den Kreis‐ oder Regierungsbezirksdienststellen der Gestapo. Jedem dieser Ämter stand ein für den ganzen Kreis oder Regierungsbezirk zentrales Gefängnis zur Verfügung. Mit den Gefängnissen waren ab 1941 sogenannte Arbeitserziehungslager verbunden. Solche Anstalt wurde Erweitertes Polizeigefängnis und Arbeitserziehungslager genannt. Die Gestapo‐Kreis‐ und Regierungsbezirksdienststellen verfügten darüber hinaus über eigene Untersuchungshaftanstalten, die sich normalerweise im Dienststellengebäude befanden.

Innerhalb des zweiten großen Strafvollzugssystems gab es Gefängnisse, die dem Justizministerium des Reiches untergeordnet waren, und allgemein als Gerichtsgefängnisse bezeichnet wurden. Dorthin kamen sowohl Personen, die sich in Untersuchungshaft befanden als auch solche, gegen die bereits Freiheitsstrafen verhängt wurden. In vielen dieser Haftanstalten wurden 1942 Stammlager gebildet. In diesen Gefängnislagern verbüßten die Insassen Haftstrafen und leisteten Schwerarbeit, was einer schweren Gefängnisstrafe entsprach. Die schwersten und längsten Straflagerstrafen, sowohl in normaler als auch in verschärfter Haft, wurden unter anderem in den Zuchthäusern in Fordon, Koronów und Rawicz, verbüßt.

Häftlinge arbeiten auf einem von der Gestapo beschlagnahmten Grundstück, Bydgoszcz / Bromberg, August 1942 (IPN)

Zusätzlich gab es die Straflager bzw. Straf‐ und Erziehungslager. Arbeitsrechtliche Vorschriften für die polnischen Arbeiter bestimmten die Ausrichtung, Form und Methoden der Ausbeutung. Die Anwerbung geschah unter Aufsicht von der Polizei, der Gestapo und den Verwaltungsbehörden und war häufig mit Terror und Zwang verbunden.

Häftlinge im Baudienst−Straflager, Krakau, 1942−1944 (IPN)

Während die Interessen des Reiches durch ein besonderes System der Verfolgung von Zwangsarbeitern gesichert wurden, hatten Polen keine Aussicht auf gerichtlichen Schutz. Über die Art und den Ort der Zwangsarbeit entschieden deutsche Behörden, das grundsätzliche Kriterium dabei waren die aktuellen Bedürfnisse des Reiches. Somit wurden viele Personen an Orte weit entfernt von ihrem Wohnsitz verschleppt. Zwangsarbeiter wurden in sogenannten Arbeitslagern einquartiert. Arbeitsunwillige oder Personen, welche gegen die drakonischen Vorschriften für polnische Zwangsarbeiter verstießen, wurden in Straflager und Arbeitserziehungslager überwiesen. Auf dem besetzten polnischen Gebiet wurden zirka 1750 Arbeitslager und 40 Straf(arbeits)lager sowie Arbeitserziehungslager (AEL) betrieben.

SS−Sturmbannführer Karl Ehrlich, Kommandant des Polen−Jugendverwahrlagers in Łódź / Litzmannstadt, inspiziert die gerade eingetroffenen Kinder, Datum unbekannt (MTN)

Besondere Aufmerksamkeit verdienen die kraft einer Verordnung Heinrich Himmlers vom 28. Mai 1941 eingerichteten Arbeitserziehungslagern (AEL). Grundsätzlich wurden diese in polnischen Gebieten, die ins Reich eingegliedert worden waren, errichtet. In den übrigen Gebieten entsprachen ihnen Straflager. In den AEL herrschte ein strenges Straflagerregime, innerhalb dessen die Häftlinge zur Arbeit für Konzerne wie z. B. die IG Farbenindustrie, Siemens und die Hermann‐Göring‐Werke gezwungen wurden. Den Anstoß für die Errichtung eines solchen Lagers gaben üblicherweise lokale Sipo‐ und SD‐Inspekteure. Der Lagerkommandant und seine Stellvertreter waren Gestapo‐Beamte. Die Lager bestanden aus zwei Zonen. In der Arbeitszone musste 12 Stunden lang hart gearbeitet werden, während nach Abschluss der Arbeit verschiedene sinnlose Arbeiten und körperliche Übungen ausgeführt werden mussten. In der Strafzone wurden die Arbeiter nicht nur zu Schwerstarbeit gezwungen, man setzte sie auch verschiedenen Arten von Folter aus. In den Lagern wurden oft sogenannte verschärfte Verhörmethoden angewendet; so wurde den Insassen z.B. nur Brot und Wasser bereitgestellt, sie wurden in Dunkelheit festgehalten, mussten anstrengende körperliche Übungen ausführen und erhielten 20 oder mehr Peitschenhiebe. Die Entlassung aus dem Lager erfolgte nach Verbüßung der Strafe. Sollte der Gestapo‐Lagerfunktionär zu dem Schluss kommen, dass die Strafe nicht ihren Zweck erfüllt habe, wurden die Arbeiter in Konzentrationslager abtransportiert.

Neben den der Gestapo unterstellten AEL, entstanden seit 1941einige AEL in direkter Nähe von Betrieben, ab Frühling 1944 verstärkte sich diese Tendenz noch. Die Gefangenen dort waren fast ausschließlich ausländische Zwangsarbeiter, die wegen „Bummelei“ festgenommen worden waren und nun Arbeit unter Aufsicht leisten mussten. Die Gestapo entschied, wer in diese Lager kam, in der Praxis jedoch verfügte die Firma selbst über die Häftlinge. Dasselbe galt für die Aufsicht über diese Lager, die sowohl die lokale Polizei als auch die jeweilige Betriebsaufsicht übernahmen. Die Bezeichnung Arbeitserziehungslager (AEL) war nicht einheitlich geregelt. Während für die der Gestapo obliegenden AEL der Begriff Arbeitserziehungslager festgelegt wurde, nutzte man in Betrieben verschiedene amtliche Begriffe, wie „Erziehungslager“, „Sonderlager“, „Gestapo‐Sonderlager“, „Erziehungsstammlager der Gestapo“, „Straflager“, „polizeiliches Straflager“, Erziehungslager für Asoziale, Strafarbeitslager.

Polenlager waren eine gesonderte, spezifische Lagergruppe, die ausschließlich in der Provinz Oberschlesien vorkam. Mit der Bildung dieser Lager begann man im Jahr 1942. Lokale Einwohner, unabhängig von Alter und Geschlecht, wurden dort auf unbefristete Zeit festgehalten. In den Lagern wurden polnische Familien eingesperrt, die von der deutschen Besatzungsmacht als unerwünschtes oder gar die Interessen des Dritten Reichs gefährdendes Element angesehen wurden. Dies waren also Polen, die für ihre antinationalsozialistischen Ansichten bekannt waren, Familien von Aktivisten, die sich für das Polentum Schlesiens einsetzten, aber auch diejenigen, die es verweigerten, die Volksliste zu unterzeichnen. Die Lager befanden sich üblicherweise in alten Fabrikhallen mit nicht einmal einfachsten Sanitäreinrichtungen. Der Aufenthalt im Polenlager war normalerweise unbefristet. Erwachsene arbeiteten in schlesischen Industriebetrieben und in der Landwirtschaft. Diese Lager kennzeichnete der großer Anteil der darin festgehaltenen Kinder und Minderjährigen (bis zu 40 % aller Häftlinge), die Zwangsarbeit Minderjähriger und eine hohe Sterblichkeitsrate.

Der Begriff „Polenlager” wurde auch manchmal für in verschiedenen Teilen Deutschlands gelegene Lager, in denen polnische Zwangsarbeiter lebten, verwendet. Diese Lager sollten jedoch nicht mit den oben erwähnten Polenlagern in Oberschlesien verwechselt werden.