JANINA MUSZYŃSKA
Erinnerungen an den Aufenthalt bei der Gestapo und im Gefängnis in Białystok 1943.
Die Autorin kommt aus Białystok. Zur Zeit der deutschen Besatzung war ihre Familie in der Widerstandsbewegung tätig. Im Juli 1943 wurden einige Familienmitglieder verhaftet, weil sie einen Flüchtling aus dem Ghetto in Białystok versteckt hatten. Die neunjährige Janina wurde daraufhin mit ihrer Mutter und der dreijährigen Schwester Eugenia in einer Zelle gefangen gehalten. Am 28. September 1943 wurden ihre Eltern in Grabówka bei Białystok erschossen. Die Schwestern blieben bis zum 6. Oktober 1943 im Gefängnis.

Ich wurde am 17. Mai 1934 in Białystok geboren und am 7. November 1940 kam meine Schwester zur Welt ‐ Eugenia Mikitowicz. Unsere Eltern, Włodzimierz und Zinaida Mikitowicz haben im Jahr 1936 ein Einfamilienhaus in Białystok in der Poleska Straße 20 gebaut. Das Grundstück meiner Eltern grenzte an das Grundstück unseres Großvaters väterlicherseits, Prochor Mikitowicz. Dort wohnte seine fünfköpfige Familie. Die Eltern meiner Mutter ‐ Zofia und Józef Zubrzyccy‐Domanowscy wohnten zwei Straßen weiter, in der Topolowa Straße 8. Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs haben wir ein ruhiges Leben geführt. Im Jahr 1939 war ich 5 Jahre alt, hatte liebende Eltern, Großeltern und andere Verwandte.

Die ganze Familie meines Vaters war in der Widerstandsbewegung tätig. Von 1942 bis Juli 1943 haben sie einen Partisanen, einen Juden aus dem Ghetto in Białystok (seinen Namen kannte ich nicht) versteckt, der an Militäreinsätzen in Białystok beteiligt gewesen war. Einer dieser Einsätze fand im Stadtviertel Białystoczek, ein anderer am Bahnübergang in der Wasilkowska Straße statt. Bei beiden Aktionen wurden Deutsche getötet. In unserer Wohnung gab es im Schlafzimmer unter dem Fußboden ein Versteck – ein Tunnel, der durch den Garten zum Haus meines Großvaters führte. Das Versteck war für den Juden und für unseren Onkel Mikołaj Mikitowicz vorbereitet worden.

Am 10. Juli 1943 gegen Abend umstellte die Gestapo das Haus unseres Großvaters. Onkel Mikołaj und der Jude entkamen der Razzia durch den unterirdischen Gang und flohen in Richtung Eisenbahngleise. Es kam zu einer Schießerei. Den Männern gelang es aber durch die Felder in Richtung des Dorfes Leńce zu fliehen.

Infolge dieses Ereignisses wurden mein Großvater Prochor Mikitowicz und seine Tochter Luba Mikitowicz, die im achten Monat schwanger war, in der Nacht von der Gestapo verhaftet. Sie wurden zur Vernehmung zum Gestapo‐ Gebäude in der Sienkiewicza Straße 15 in Białystok abtransportiert, anschließend ins Gefängnis an der Południowa Straße gebracht und später in Bacieczki bei Białystok erschossen. Der jüdische Partisan ist im Einsatz bei Wizna zwischen Jeżewo und Łomża ums Leben gekommen. Mikołaj Mikitowicz wurde verletzt und im Dorf Leńce ermordet, nachdem ein Bauer ihn für 500 Mark den Deutschen ausgeliefert hatte.

Einige Tage nach der Verhaftung meines Großvaters und meiner Tante rüttelte am 21. Juli 1943 um 23.00 Uhr die Gestapo an der Tür unseres Hauses. Es traten drei SS‐Männer mit einem Schäferhund und ein Dolmetscher ein. Nachdem sie unsere Wohnung durchsucht und demoliert hatten, führten sie uns aus dem Haus in den Hof hinaus. Währenddessen durchkämmten sie noch einmal das leere Haus des Großvaters, da sie hofften, dort versteckte Partisanen zu finden. Meiner Familie wurde befohlen, sich umzudrehen und niederzuknien – sie zielten auf uns und wollten uns erschießen. Meine Mutter hielt meine jüngere Schwester im Arm. Zum ersten Mal blickte ich, ein neunjähriges Kind, dem Tod ins Auge. Mich packte eine panische Angst. Auf einmal entschieden sich die SS‐Männer um und verzichteten auf unsere Hinrichtung. Sie hatten im Haus des Großvaters niemanden gefunden, das rettete uns das Leben.

Während sie uns schlugen, befahlen sie uns, aufzustehen und weiterzugehen. Meine verzweifelte Mutter flehte sie an, mich und meine Schwester bei den Großeltern lassen zu dürfen, die zwei Straßen weiter wohnten. Dies wurde kategorisch abgelehnt und meiner Mutter mit einer Pistole ins Gesicht geschlagen. Ein Hund wurde auf sie gehetzt, der ihr aber nichts getan hat – er ist sie nur angesprungen, hat einmal gejault, sie aber nicht angegriffen, wofür er mit einer Reitpeitsche bestraft wurde. Ich war erschrocken. Das Gesicht meiner Mutter war blutverschmiert, die Jacke ebenso, ein Auge war verletzt. In einem solchen Zustand wurden wir mit Waffengewalt die Eisenbahngleise entlanggeführt, bis zu einer Brücke, die zum Stadtviertel Białystoczek führte. An diesem Ort, gleich hinter der Brücke, stand auf der linken Straßenseite unter dem Baum, unter dem wir oft mit der Stieftochter unseres Bekannten, Piotr Kosobuk, gespielt hatten, ein offenes Auto. In dem Auto lag Piotr Kosobuk – gefoltert und in Handschellen, wie mein Vater. Er war gefoltert worden, weil er während der Flucht geschossen hatte.

Aufenthalt bei der Gestapo in der sog. „Fünfzehn“

Wir wurden sofort zum Sitz der Gestapo zur sog. „Fünfzehn“ in der Sienkiewicza Straße 15 gebracht. Die Männer wurden weggebracht, unter eine Mauer geworfen und waren danach spurlos verschwunden. Wir wussten nicht, was mit ihnen geschah.

Wir wurden in einen Raum im Erdgeschoss gebracht, in dem bereits viele Frauen waren. Es war dreckig, es gab Flöhe und anderes Ungeziefer, es war schwül, es stank und es gab keine Betten. Am nächsten Tag wurde meine Mutter zur Vernehmung mitgenommen, sie kam verprügelt und kraftlos zurück, sie war nicht einmal imstande zu weinen. Dies wiederholte sich die nächsten 2‐3 Tage. Am vierten Tag wurden wir ins Gefängnis in Białystok versetzt. Man führte uns durch drei beängstigende Metallpforten. Ich war vor Angst wie gelähmt, was durch den Anblick meiner Mutter mit dem geschwollenen, dunkelblauen Gesicht und mit dem blau geschlagenen rechten Auge noch verstärkt wurde. Wir wurden ins Hauptgebäude, auf die rechte Seite, in eine Zelle im Erdgeschoss einer Frauenabteilung gebracht.

Aufenthalt im Gefängnis in Białystok

In der Zelle gab es zehn Betten. Acht davon waren schon besetzt. Meine Mutter schlief mit meiner Schwester und ich bei ihnen, obwohl ich ein eigenes Bett am Fenster hatte. Hier fing für uns die Hölle an. Das Essen war abscheulich: eine Scheibe halb rohes Schwarzbrot, eine Suppe aus Eichenblättern mit Raupen drin. Ich erbrach mich, ich konnte nicht essen, mein Bauch tat mir weh. In der Nacht sprang ich auf, wollte fliehen, aber das war unmöglich – denn die Fenster waren vergittert und die Türen verschlossen. Morgens wurde meine Mutter zur Vernehmung geholt. Sie kam verletzt und kraftlos zurück. Während des Aufenthalts im Gefängnis bekamen wir von meinen Großeltern zwei Lebensmittelpakete mit Brot, Knoblauch, Zwiebeln und Schmalz. Das war das leckerste Essen aller Zeiten!

Am Anfang durften die Kinder (es gab dort einige) eine Stunde hinter dem Gefängnishauptgebäude, neben dem Bunker, der Wäscherei und der Küche spazieren zu gehen. Mein ganzes Leben lange habe ich jedes Detail des Gefängnishofs im Gedächtnis behalten.

Im August oder September 1943 wurde der Dekan aus der Pfarrkirche in Białystok in das Gefängnis gebracht. Während der Spaziergänge sahen wir ihn beten, er segnete uns Kinder von weitem. Bis heute erinnere ich mich an seine Gestalt und sein gütiges Gesicht. Die täglichen Gebete der Häftlinge haben sich mir fürs ganze Leben ins Gedächtnis eingeprägt. Auf ein Signal hin ertönten im Gefängnis in Białystok in den Abendstunden Lieder wie: „Alle unsere Alltagssachen“, „Herzliche Mutter“, „Jesus hör, wie Dich das Volk anfleht“. Das war wunderbar – die Vereinigung aller Gefangenen in einem Lied. Bis heute, wenn Gläubige in einer Kirche „Jesus hör“ singen, kann ich die Erinnerungen und Tränen nicht unterdrücken. Dieses Bittlied sang ich zusammen mit meiner Mutter, die uns später in unserer Kindheit, Jungendzeit und im ganzen Leben sehr fehlte.

Im Gedächtnis geblieben ist mir eine Begebenheit, die sich bei der Desinfektion der Frauenzellen ereignet hat. Im August wurden alle gefangenen Frauen in den ersten Stock der Abteilung versetzt, damit die Räume im Erdgeschoss desinfiziert werden konnten. Desinfiziert wurde mit angezündetem Schwefel, der sehr stark qualmte und von dem aus Rauch nach oben in den ersten Stock aufstieg. Auf einmal passierte etwas Schreckliches. Wir fingen an, langsam zu ersticken. Schreien und Donnern an der Tür halfen nicht, denn die Wächterinnen waren nicht in der Abteilung. Ich erinnere mich kaum daran, was passierte nachdem die Tür geöffnet wurde, meine Schwester und ich waren danach im Gefängniskrankenhaus.

Unter den Wächtern gab es einen, der bei den Häftlingen besonders verhasst war – den Polen Jarząbek, ein bauchiger Kleinwüchsiger, ein sehr böser Mensch. Er lief immer mit einem großen Schlüsselbund rum, mit dem er jeden, der in seiner Nähe erschien, aufs Geratewohl geprügelt hat. Die Kinder waren ihm besonders verhasst, er hat uns angeschrien und verprügelt. Von meinen Großeltern weiß ich, dass er seiner gerechten Strafe nicht entgangen ist – nach der Befreiung wurde er verurteilt und bestraft.

Einen weiteren Schock erlebte ich im August oder September 1943. Im Gefängnis hatten einige Häftlinge ihre Flucht organisiert. Bei dieser Aktion half den Flüchtlingen ein ukrainischer Wächter. Einer der Flüchtlinge war Stanislaw Kosobuk, der wie meine Eltern in der Widerstandsbewegung tätig war. Zwei Gefangene konnten fliehen, Stanisław Kosobuk wurde gefangen genommen und für den Fluchtversuch nach Ausschwitz deportiert, wo er bis zur Befreiung blieb. Nach dem Krieg kehrte er nach Białystok zurück.

Einen Tag nach der Flucht geschah bei Tagesanbruch etwas Schlimmes auf dem Gefängnishof vor dem Hauptgebäude. Es wurde ein Galgen dort aufgestellt. Wir wurden gezwungen, die Hinrichtung des Ukrainers anzuschauen, der bei der Flucht geholfen hatte. Er wurde in Handschellen in den Hof gebracht. Dann wurde er auf ein Podest unter den Galgen gestellt und ein SS‐Mann hat dann das Podest mit dem Fuß weggestoßen. Der Verurteilte hing an einem Seil, sein Körper zitterte, die Zunge hing bis aufs Kinn herab. Das war für mich, ein neunjähriges Kind, ein Schock. Ich sah mit eigenen Augen, wie ein Mensch getötet wurde, ich zitterte vor Entsetzen. Tag und Nacht sah ich den Erhängten vor mir. Ich kann mich sehr gut daran erinnern, obwohl inzwischen 62 Jahre vergangen sind.

Hinter dem Gefängnisgebäude war hinter einer hohen Mauer ein Garten – angeblich ein Gemüsegarten. Dort wurden in der Nacht körperlich und geistig Behinderte ermordet. Trotz der vielen Jahre, die vergangen sind, höre ich noch heute ihr Gejammer und ihre Hilferufe. Sie heulten wie Tiere.

In einer Nacht wurde ein Brautpaar in das Gefängnis gebracht. Sie wurden in der Nacht erschossen, vorher aber noch direkt neben der Eingangstür zur Frauenabteilung gefoltert.

Morgens sah ich beim Spaziergang eine große Blutlache, die nur mit etwas Sand zugeschüttet worden war. Es war ein erschütternder Anblick, umso mehr, da wir in der Nacht gehört hatten, was vorgegangen war. Von Tag zu Tag wurde mein Entsetzen immer größer. Durch meine kindliche Intuition ahnte ich, dass auch mit uns bald etwas Schlimmes passieren würde. Ich spürte, dass die Tragödie immer näher kam. Ich hatte große Angst vor dem Tod und hatte einen so starken Lebenswillen, denn ich war doch erst neun Jahre alt und meine Schwester drei!

Es ist geschehen!

Der 28. September 1943 war ein tragischer Tag. Gegen 2:00 Uhr ging in der Abteilung etwas vor sich. Den gefangenen Frauen war klar – es fing die Selektion für den Tod an! Die Zellentür wurde mit einem lauten Krach aufgestoßen, es kamen SS‐Männer mit einem Dolmetscher rein. Sie fingen an vorzulesen, wer für das Erschießen vorgesehenen war und diejenigen in den Flur hinauszuführen. Ich erinnere mich nicht mehr daran, wie viele Frauen aus unserer Zelle mitgenommen wurden. Ich weiß nur noch, dass die erste Frau eine Russin mit einem 8‐ oder 9‐ jährigen Jungen war, der sich unter einem Bett versteckte. Als seine Mutter schon im Flur war, bemerkten die Folterer, dass der Junge fehlte. Sie zogen ihn brutal unter dem Bett hervor und nahmen ihn mit. Der nächste Name, der genannt wurde, war der meiner Mutter! Mein Herz erstarrte! Die Arme begann zu flehen, sich die Haare auszureißen und mit dem Kopf gegen die Zellenmauer zu schlagen. Ich wusste, dass unsere Existenz zu Ende war. Da brüllte der Dolmetscher plötzlich, dass nur sie mitkommt und die Töchter bleiben. Meine Mutter jammerte, sie hatte keine Ahnung, was sie mit uns vorhatten, welches Schicksal uns beiden zuteilwerden würde und wann wir getötet würden. Ich begriff nicht, warum das passierte, warum wir nicht gemeinsam in den Tod gingen?

Die Trennung von meiner Mutter werde ich nie vergessen, nicht bis an mein Lebensende. Das letzte Mal sah ich sie noch durch das vergitterte Zellenfenster, sie ging stolz ganz vorne mit erhobenem Kopf, den verwehten schwarzen Haaren, in weißer Bluse und einem Rock mit schwarz‐weißem Pepitamuster, ohne Schuhe, in weißen Socken. Sie wusste, dass sie in den Tod ging. Mein Gott! – was ging da in ihrem Mutterherzen vor? Hinter der Pforte wurden die Verurteilten wie Tiere auf ein Auto geladen und nach 30 Minuten waren sie bereits am Richtplatz in Grabówka. Sie wurden aus den Autos zu einem bereits ausgehobenen Grab gejagt und kaltblütig mit Maschinengewehren erschossen. Die Einheimischen von Grabówka berichteten, dass – obwohl das Stöhnen der lebenden, verletzten Menschen noch zu hören war, die Deutschen die Körper mit Kalk und Erde zuschütteten, die sich danach noch rührten. Dann fuhren sie auf dem Grab mit ihren Autos hin und her. Im Moment des Todes war unsere Mutter 33 und unser Vater 35 Jahre alt.

Nach dem Tod unserer Mutter blieb ich im Gefängnis mit meiner dreijährigen Schwester ganz allein. Ich ersetzte ihr die Mutter so gut ich nur konnte, die gefangenen Frauen halfen mir dabei. Meine Schwester verstand nicht, was passiert war und wollte nur zu unserer Mutter! Sie erinnert sich nicht mehr daran, was im Gefängnis passiert ist. Ich wusste nicht, was die Nazis mit uns vorhatten, mit Angst wartete ich auf den Tag, an dem sie uns auf den Hof hinausführen und wie die anderen töten würden.

Am 6. Oktober 1943 am Vormittag wurden wir beide aus der Zelle herausgeführt, ich dachte, dass jetzt das Ende gekommen sei! Ich habe nicht einmal geweint. Wir wurden durch drei riesige metallene Gefängnispforten geführt – ich wusste nicht, was los war. Mit verblüfften Augen erblickte ich meine Großeltern. Ich dachte, dass sie gekommen waren, um sich vor unserem Tod von uns zu verabschieden. Aber es stellte sich heraus, dass wir frei waren! Wir hatten überlebt! Aber beim Gedanken an die Eltern, besonders an die Mutter, die uns so nah gewesen war, musste ich weinen. Ich war mir bewusst, dass ich sie nie wieder sehen würde. Meine heile Kinderwelt war zusammengebrochen, durch all die schrecklichen Erlebnisse, die selbst für Erwachsene erschütternd gewesen wären und ich war doch damals gerade erst neun Jahre alt. Meine Großeltern haben uns unter ihre Fittiche genommen. Auch für sie ist es eine Tragödie gewesen – sie hatten ihre Tochter, einen Schwiegersohn und einen Sohn verloren.

Nachdem wir aus dem Gefängnis entlassen worden waren, ließ uns die Gestapo nicht in Ruhe. Alle paar Tage erschienen die Deutschen im Haus meiner Großeltern und überprüften, ob wir nicht versteckt oder weggebracht worden waren. Wir waren weiterhin ihre Geiseln. Wir durften uns von unseren Großeltern nicht entfernen. Unter dieser Bedingung wurden wir am Leben gelassen.

Das Kriegstrauma durch die furchtbaren Erlebnisse verursachte bei mir die Entwicklung verschiedener Krankheiten, womit ich meinen Großeltern viel Kummer bereitete. Nachts quälten mich Alpträume – ich schrie und versuchte zu fliehen. Darüber hinaus war mein Körper nach dem Aufenthalt im Gefängnis mit Furunkeln übersät. Ich habe sehr gelitten und konnte nur auf dem Bauch liegen. Vor Schmerzen habe ich wie ein Hund gewinselt. Eine Behandlung war kompliziert, es war schwer einen Arzt zu finden, deshalb haben die Großeltern eine bekannte und versierte Heilkundige geholt, aber auch sie war nicht imstande, mir zu helfen. Die Narben von den Furunkeln sind mir bis heute geblieben.

Nachdem ich das Gefängnis verlassen hatte, erfuhr ich, warum uns die Nazis nicht erschossen hatten. Die Großeltern Józef und Zofia Zubrzyccy‐Domanowscy haben uns das Leben gerettet. Sie haben nach allen möglichen Mitteln gesucht, um uns und unsere Eltern zu retten. Leider ist es ihnen nur gelungen, das Leben der Kinder zu retten. Dabei hat ihnen Frau Leonia Makarewicz geholfen, die nicht weit von meinen Großeltern wohnte und mit den Deutschen zusammenarbeitete. Gleichzeitig half sie jedoch auch Polen. Sie hatte Freunde, die bereit waren, bei der Rettung von Polen zu helfen, jedoch ausschließlich bei der Rettung von Kindern. Die Eltern mussten für ihre Tätigkeit gegen das Dritte Reich mit ihrem Leben bezahlen. Die Gestapo hat uns nicht uneigennützig freigelassen. Meine Großeltern haben ihr gesamtes Vermögen verloren. Die Deutschen waren gierig und erschwindelten sich alles, was nur möglich war.

Nach dieser Tragödie verblieb in Grabówka bei Białystok ein Grabhügel. Im Jahr 1946 oder 1947 nahmen meine Großeltern an der Exhumierung der Leichen teil. Mich haben sie damals nicht mitgenommen. Meine Großeltern wollten mir den Schock ersparen, dasselbe zu sehen, wie sie. Dank meinem Großvater wissen wir, in welchem Grab sich meine Mutter befindet. Mein Großvater kannte nämlich einen Bauern aus Grabówka, der wusste, an welchem Tag die Hinrichtung der Eltern stattfinden sollte. Als die Schinder den Richtplatz verlassen hatten, markierte er eine Birke nahe am Grab und benachrichtigte meinen Großvater.

Den Hinrichtungsort besuchten wir oft gemeinsam mit meinen Großeltern mit dem Fahrrad. Der Ort erfüllt mich mit Verzweiflung und Kraftlosigkeit. Immer, wenn ich dort bin, zerreißt mir das Weinen das Herz. Am 55. Todestag meiner Eltern waren wir in Białystok, wir sind extra zu ihrem Grab gefahren und haben dort viele Fotos gemacht. Ich habe mir auch ein Herzensbedürfnis erfüllt: nach 55 Jahren erhielt ich die Erlaubnis, in das Gefängnis, in die Zelle einzutreten, in der wir mit meiner Mutter zusammen eingesperrt waren. Die tragischen Erinnerungen wurden wieder lebendig, ich konnte die Rührung, die Angst und die Tränen nicht zurückhalten. Dort habe ich meine Mutter zum letzten Mal gesehen.