Kriegsgefangenschaft

Laut Nachkriegsschätzungen des Amtes für Kriegsreparationen fielen im Jahr 1939 66000 polnische Soldaten und Offiziere im Kampf gegen die Wehrmacht, 134000 wurden verletzt und ca. 420000 gerieten in Kriegsgefangenschaft (darunter 17000 Offiziere und 3500 Fähnriche).

Polscy jeńcy wojenni 1939
Polnische Kriegsgefangene (AZHRL)

Im Oktober und November 1939 wurden Kriegsgefangene deutscher, ukrainischer und weißrussischer Nationalität frei gelassen. Im Winter 1940 wurden einige Tausende Juden frei gelassen, die kurz danach dem Holocaust zum Opfer fielen.

Die im Verteidigungskrieg gefangen genommenen polnischen Soldaten wurden von den Deutschen an Sammelpunkten in Gruppen eingeteilt – getrennt nach Offizieren und Soldaten – und anschließend in provisorischen Durchgangslagern (sog. Dulags) untergebracht, meist waren das Kasernen, Landgüter oder Fabrikhallen, die diesem Zweck angepasst wurden.

Kennzeichnung der polnischen Kriegsgefangenen in einem Lager (IPN)

Nach der Unterzeichnung der Kapitulation wurden die Gefangenen mit Zügen in Kriegsgefangenenlager auf dem Gebiet des Dritten Reiches transportiert. Die Lager waren dem Oberkommando der Wehrmacht untergeordnet. Soldaten wurden in Stammlagern, Offiziere hingegen in Offizierslagern untergebracht. Das Gebiet des Deutschen Reiches war in 21 Militärbezirke unterteilt und in jedem Bezirk befanden sich Kriegsgefangenenlager.

Polnische Kriegsgefangene stehen Appell im Stalag VII A Moosburg in Bayern (AZHRL)

In den Stammlagern herrschten fürchterliche soziale Bedingungen. In den ersten Monaten der Gefangenschaft (im Winter 1939/1940) schliefen die Gefangenen in Zelten, Garagen, Ställen u.Ä. Nicht viel besser war die Situation derjenigen, die in Baracken untergebracht wurden. Die Baracken wurden in der Regel nicht beheizt, sie waren überfüllt, es gab keinen Strom und kein fließendes Wasser. Katastrophale hygienische Bedingungen und fehlende Kleidung zum Wechseln führten zu Läuseepidemien und zur schnellen Verbreitung von verschiedenen Krankheiten. Die Essensrationen waren so klein, dass die Kriegsgefangenen hungern mussten. Die Wehrmacht strebte bewusst nach der physischen Ausrottung der Gefangenen. Verletzte und Kranke erhielten keine angemessene medizinische Versorgung, das Verhältnis des medizinischen Personals zu den Kranken war feindselig.

Blecherkennungsmarke eines Kriegsgefangenen im Stalag IVB, Mühlberg an der Elbe (AFPNP)

Bereits im September 1939 wurden polnische Kriegsgefangene für verschiedene Arbeiten eingesetzt, hauptsächlich in der Landwirtschaft, und später – entgegen der Genfer Konvention – auch in der Rüstungsindustrie. Sie führten auch alle körperlichen Arbeiten beim Bau der Baracken in den Kriegsgefangenenlagern aus.

Mit besonderer Härte behandelten die Deutschen die Fähnriche der Polnischen Armee. Die Fähnriche – ungefähr 3 500 Mann – wurden wie gewöhnliche Soldaten behandelt, obwohl sie von der polnischen Lagerleitung Offizieren gleichgesetzt wurden. Entgegen der Genfer Konvention wurden sie bei besonders beschwerlichen Arbeiten auf Flughäfen, in der Rüstungsindustrie, im Straßenbau, in Bergwerken und in Steinbrüchen eingesetzt. Für ihre Arbeit erhielten sie keinen Lohn. Diejenigen, die Widerstand leisteten, wurden in Straflager geschickt, wo die Lebens‐ und Arbeitsbedingungen besonders schlimm waren. Die Straflager Oberlangen, Fulen, Vullen, Wesuwe und Bathorn, befanden sich in sumpfigen Gebieten, was zu ernsthaften gesundheitlichen Problemen unter den Gefangenen führte. Im Juni 1940 wurde eine Gruppe von 300 Fähnrichen der Gestapo übergeben.

Im Frühling 1940 wurden wegen des Arbeitskräftemangels im Dritten Reich auf Grundlage einer Entscheidung Hitlers, polnische Soldaten und Unteroffiziere in sog. Zivilstatus überführt und anschließend zwangsweise für die deutsche Wirtschaft eingesetzt.

Polnische zwangseingestzte Kriegsgefangene in der Feldarbeit, Niesberg in Bayern, Oktober 1940 (AFPNP)

Mithilfe verschiedener Druckmittel, von Versprechungen bis zu Drohungen und Schlägen zwangen die Deutschen ca. 140 000 Soldaten und Unteroffiziere zur Unterzeichnung der Arbeitsverpflichtung. Damit verloren sie ihre Kriegsgefangenenrechte gemäß der Genfer Konvention sowie die Unterstützung und Betreuung durch das Rote Kreuz. Auf diese Art und Weise fielen die Kriegsgefangenen unter die von Himmler erlassenen diskriminierenden Sondergesetze, verloren jegliche Art von Schutz und waren der Willkür des deutschen Polizeiapparates – der Gestapo – ausgeliefert. Sie konnten jederzeit verhaftet und in Konzentrationslager geschickt werden. Ab dem Moment, in dem die Kriegsgefangenen die Lager verließen, unterlagen sie der Verfügung der Arbeitsämter und musste unverzüglich eine Arbeit aufnehmen.

Die Kriegsgefangenen, die die Unterzeichnung des Verzichtes auf den Kriegsgefangenenstatus abgelehnten, waren Repressionen ausgesetzt. Im besten Fall war das Erpressung verbunden mit Strafen, die den Familien drohten oder Prügel. Oft brachte man sie zur Gestapo oder Polizei, wo sie gefoltert und anschließend in Strafkompanien, Straflager, ins Gefängnis oder sogar ins Konzentrationslager geschickt wurden.

Der Prozess der Statusänderung von Kriegsgefangenen zu Zivilarbeitern, der 1940 begann, war ein fortlaufender Prozess, der den ganzen Krieg über andauerte. Umso mehr nachdem sich unter den Kriegsgefangenen in Frankreich kämpfende polnische Soldaten, Soldaten der polnischen Streitkräfte im Westen und Soldaten der I. Polnischen Armee befanden.

Im September 1944 befanden sich in den Kriegsgefangenlagern noch etwa 53 000 Kriegsgefangene. Nach der Niederschlagung des Warschauer Aufstands wurde eine große Gruppe von achtzehn Tausend Personen (darunter 2800 Offiziere, 2700 Frauen und 553 minderjährige Gefangene, im Alter von 8 bis 18 Jahren) gefangen genommen. Die Genfer Konvention sah keinen Aufenthalt von Frauen und Kindern in den Stalags vor. Die Situation wurde durch die Verhaftung von schwangeren Frauen noch komplizierter.

Nach dem Warschauer Aufstand hat man zum ersten Mal den Frauen und Minderjährigen den Kriegsgefangenenstatus zuerkannt. Die Deutschen verpflichteten sich, gegenüber diesen Gruppen die Bestimmungen der Genfer Konvention einzuhalten. In der Kriegsgefangenschaft behandelte man jedoch sowohl Frauen als auch Minderjährige genauso wie erwachsene Männer. Bereits in den Durchgangslagern versuchte man die Frauen und Minderjährigen dazu zu bringen, auf ihre Kriegsgefangenenrechte zu verzichten. Dieses Vorgehen wurde auch nach der Überweisung in Kriegsgefangenenlager fortgeführt. Die Frauen wiesen dies zurück, trotzdem wurden sie zur Arbeit in den Waffenfabriken in Chemnitz und Goslar geschickt. Sie wurden unter denselben Bedingungen wie Zwangsarbeiter eingestellt. Ein Teil der Frauen, die die Arbeit vehement ablehnten, wurde in zwei Lager in Oberlangen und Molsdorf gebracht, wo Bedingungen herrschten, die denen eines Straflagers ähnelten: anstrengende Appelle, schlechte Wohn‐ und Sanitärbedingungen, kleine Essensrationen. Darüber hinaus waren beide Lager in sumpfigen Gebieten gelegen, was sich negativ auf die Gesundheit der Gefangenen auswirkte.

Die Minderjährigen wurden in zwei Gruppen eingeteilt: die eine arbeitete in der Rüstungsfabrik in Chemnitz, die andere in der Rüstungsfabrik in Brokwitz.

Gefangene aus dem Warschauer Aufstand wurden hauptsächlich in Werken eingesetzt, die die Rüstungsindustrie belieferten. Diese Arbeit war nicht nur schwierig, sondern auch gefährlich. Die Fabriken wurden durchgängig von den Alliierten bombardiert, daher erlebten viele der dort eingesetzten Gefangenen die Befreiung nicht.