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Briefwechsel -

Während der ganzen Zeit des Krieges unterlag die Korrespondenz der Zwangsarbeiter, die nach Deutschland deportiert wurden, einer strengen Kontrolle. Bis 1940 wurde diese stichprobenartige Kontrolle durch die Gestapo durchgeführt. 1941 entstand in jedem Administrationsbezirk eine Auslandsbriefprüfstelle, die mit der Polizei zusammenarbeitete. Es wurde besonders auf Informationen über das Militär, Schutzobjekte und die Atmosphäre im Reich geachtet. Es war auch verboten, über die Bedingungen der Zwangsarbeit zu berichten. In der Praxis befolgten die Arbeiter aber besonders die im letzten Punkt genannte Regel nicht. Als in Polen dadurch bekannt wurde, wie die „Arbeit“ im Deutschen Reich wirklich aussieht, meldeten sich kaum noch Polen freiwillig zur Arbeit im Reich. Der Ton in vielen Briefen war ziemlich frei und es fehlte nicht an bissigen Bemerkungen über die deutschen Arbeitgeber. Größer war die Korrespondenzfreiheit bei denen, die außerhalb der Sammellager oder in der Nähe der Fabriken untergebracht waren. Dort war häufig nur das Verschicken von einem Brief pro Monat erlaubt. Manchmal wurden auch zweiteilige Postkarten an die Zwangsarbeiter verteilt. Diese „Formulare“ waren auch gleichzeitig für die Antwortschreiben bestimmt, d.h. die gleiche Postkarte kam mit einer kurzen Antwort im dafür vorbereiteten Feld zurück. Diese Praxis erinnerte stark an den Briefwechsel in Gefangenen- oder Konzentrationslagern. Auf solche Postkarten konnte man nur eine eingeschränkte Anzahl von Wörtern schreiben. Den Polen wurde es auch verboten, Ansichtskarten zu verschicken, wobei sie auch dieses Gesetz oft nicht respektierten. Eine zusätzliche Verschärfung der Regelungen war das Zerstören von Briefen und Postkarten, wenn sie undeutlich oder unleserlich waren. Dadurch kam ein Teil der Sendungen nie bei den Adressaten an. Für viele Deportierte, die nur die Grundschule besucht hatten und im Alltag die Schrift nicht benutzten, d.h. für Personen die dem Schreiben noch nicht mächtig waren, bedeutete dies den Kontaktabbruch mit der Familie; ähnlich war dies bei Kindern.

Postkarte – einer Zwangsarbeiterin aus Calw, Schwarzwald an ihren Vater, der sich in Sochaczew aufhielt, GG (mit der Zustimmung der Rücksendung an den Sender)
Rückseite einer Ansichtskarte –verschickt durch eine Zwangsarbeiterinaus Steinbach amAttersee zu ihren Nächsten inLowitsch (Łowicz), GG

Ein interessantes Dokument ist das abgebildete Telegramm. Aufgegeben wurde es aus dem Kreis Ostrowo an eine Zwangsarbeiterin, die auf dem Landgut Bonfeld im Kreis Heidenheim angestellt war. Das Telegramm informierte sie über den Tod ihres Vaters und den angesetzten Termin der Beerdigung (Donnerstag 8 Uhr nachmittags). Der Absender war ihre Mutter. Unten befindet sich eine Aufschrift: Beglaubigt der Amtskommissar Görsch. Auf Grundlage der in Deutschland geltenden Gesetze für polnische Zwangsarbeiter, konnte eine Benachrichtigung per Telegramm über den Tod einer nahe stehenden Person der Grund für besonderen Urlaub sein. So ein Telegramm musste jedoch einen Vermerk der Polizei oder Gestapo aus dem Wohnort des Absenders haben. Dieser galt als Bestätigung des Todesfalls (Beglaubigung vom Amtskommissars Görsch). Dabei herrschte allerdings Willkür der Polizei oder Gestapo, denn diese richteten sich bei einer eventuellen Zustimmung nach der politischen Beurteilung des Verstorbenen bzw. nach der Beurteilung seiner Familie. Es wurde keine Bestätigung ausgestellt, wenn der Tod Ergebnis der deutschen Repression oder des Handeln der Wehrmacht bzw. SS war. Sogar im Falle einer positiven Beurteilung der Polizei konnte das Arbeitsamt den Urlaub ablehnen. Urlaub dieser Art wurde nur selten erteilt.

Telegramm – das eine in Bonfeld im Kreis Heidenheim angestellte Zwangsarbeiterin über den Tod ihres Vaters und den Termin der Beerdigung informiert